Glasplatten im Bestand 11727 Firma Hermann Schubert im Hauptstaatsarchiv Dresden

[Kennziffern]

Gesamtzahl74
"Material"
    Papierabzüge?
    Filmnegative?
    Glasnegative?
    Filmdias?
    Glasdias?
"Zeiten"
    <1901?
    1901-1944?
    >1944?
"Digitalisiert"
    Anzahl?
    Zugänglich?

"Glasplatten im Bestand 11727 Firma Hermann Schubert" ist Teilbestand (1 von 5) von Hauptstaatsarchiv, Dresden


[Beschreibung 1 von 1]

"Glasplatten als Zeugnisse deutsch-afrikanischer Kolonialgeschichte im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden
Die Aufteilung Afrikas unter den europäischen Mächten war bereits in vollem Gange, als auch in Deutschland das Interesse an Kolonien erwachte. Die deutschen Begehrlichkeiten richteten sich vor allem auf den Südwesten des Kontinents, aber auch auf Ostafrika. Deutsche Handelsfirmen waren schon seit 1847 in Ostafrika vertreten – vor allem im Sultanat Sansibar. Durch den Abschluss von juristisch zweifelhaften „Verträgen“ und unter Anwendung von brutalen Methoden brachte die Deutsch-Ost-Afrikanische Gesellschaft (DOAG) weite Teile des Küstenhinterlandes unter ihre Kontrolle. Nach Abschluss der Berliner Konferenz im Februar 1885 stellte der Kaiser einen Schutzbrief für alle Gebiete aus, die von der DOAG erworben worden waren. Die Kolonialzeit in Deutsch-Ostafrika wurde von mehreren Aufständen geprägt. In den Jahren 1905 bis 1907 rüttelte der Maji-Maji-Aufstand an den Grundfesten der Kolonialmacht. Der Maji-Maji-Aufstand begann als Protestbewegung der Wamatumbi, die im südlichen Hochland siedelten. Am Beginn des Konfliktes stand der Plan der Kolonialverwaltung, auf dem Hochplateau Baumwolle anzubauen, um die Einnahmen der Kolonialadministration zu steigern. In seinen Resultaten war der Plan verheerend. Das Einflussgebiet der Wamatumbi war sehr dicht besiedelt. Zur Versorgung mit Nahrungsmitteln hatten sich hochspezialisierte Anbaumethoden herausgebildet. Trotzdem gab es in Abständen immer wieder Hunger- und Dürreperioden. Um diesen Widrigkeiten besser begegnen zu können, hatten sich komplexe Formen der Patronage und des Tributes herauskristallisiert. Durch die deutschen Kolonialbeamten wurden diese sozialen Sicherungssysteme als Sklaverei fehlgedeutet und verboten. Statt dessen sollten die Wamatumbi zu Zwangsarbeit auf den Baumwoll-Plantagen herangezogen werden. Die Folgen waren dramatisch. Die Felder konnten nicht bestellt werden, es kam zu erheblichen Engpässen bei der Nahrungsmittelversorgung. Namensgebend für den Maji-Maji-Aufstandes war das Wasser (maji), wobei eine Vermengung von Bedeutungsinhalten zu beobachten war. Am Beginn reflektierte der Begriff vor allem die ökologischen Schwierigkeiten, später erhielt er magisch-militärische Bedeutung. Eine Prophezeiung besagte, wer das maji trinken würde, der sei gegen die Kugeln der Deutschen gefeit. An dieser Stelle kann nicht die Wirkung des Maji-Maji-Aufstandes in voller Länge rekapituliert werden. Kurz nach der Niederschlagung des Aufstandes organisierte die deutsche Kolonialverwaltung unter der Leitung des Kolonialstaatssekretärs Dernburg eine Reise in die Kolonie. Daran nahmen auch mehrere deutsche Unternehmer teil, unter ihnen der Zittauer Textilfabrikant Dr. Hermann Schubert. Die Firma Hermann Schubert war 1862 von Schuberts Vater Hermann Theodor als kleine Lohnfärberei in Zittau gegründet worden. Mit der Aufstellung des ersten Dampfkessels begann 1870 der Übergang zur fabrikmäßigen Fertigung und zum industriellen Aufschwung. 1885 wurde die Mercerisation (Garnveredlung) eingeführt, 1891 die Copsfärberei erfunden und 1904 eine Zwirnerei und Nähfadenfabrik gegründet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlangte die Firma Hermann Schubert eine führende Stellung auf dem Weltmarkt für Nähfaden. 1907/08 kam es zur Gründung einer böhmischen Niederlassung in Hrádek (Grottau), wo wie in Zittau Zwirne und Nähgarne produziert wurden und Bleiche, Färberei und Mercerisation als Nebenbetriebe bestanden.
Mit der Teilnahme an der Deutsch-Ostafrika-Reise verband Schubert eine Vielzahl von Absichten. In erster Linie waren dies Public Relations-Ziele („Das Bewusstsein, uns einen Namen machen zu müssen mit Mitteln, die nicht zu viel kosteten.“). Durch die erwartete Berichterstattung in den deutschen Medien (an der Reise nahmen drei Pressevertreter teil) sollte kostengünstig ein hoher Werbeeffekt erzielt werden. Weiterhin spielten touristische Wünsche eine Rolle. Ihrer Befriedigung dienten Safaris, Besuche afrikanischer Dörfer und Krokodiljagden. Nicht zuletzt ging es aber auch um geschäftliche Interessen. Ende 1907 gründete die Firma Hermann Schubert in Zusammenarbeit mit den kaiserlichen Kolonialbehörden eine Baumwollpflanzung in Deutsch-Ostafrika. Dazu wurden 2.000 ha Land gepachtet. Diese Gründung sollte der Firma eine günstige Belieferung mit Baumwolle sichern. Unter anderem wegen ungenügender Erfahrungen im Anbau von Baumwolle in tropischen Gebieten arbeitete die Pflanzung aber mit Verlust und ging im Weltkrieg schließlich verloren, als die deutschen Kolonialgebiete von den Entente-Mächten besetzt wurden.
Während seiner Reise nach Deutsch-Ostafrika hat Hermann Schubert zahlreiche Fotos aufgenommen, z.T. wohl aber auch vor Ort gekauft. 74 Fotoplatten sind heute im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden im Bestand der Firma Hermann Schubert, 11727, überliefert. Diese Fotos korrespondieren mit einer ähnlichen Überlieferung im Bestand Leipziger Baumwollspinnerei im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, da die Leipziger Baumwollspinnerei ebenfalls Baumwollplantagen in Deutsch-Ostafrika unterhielt.
Die Fotoplatten im Bestand Hermann Schubert sind unlängst mit Unterstützung des Instituts für Afrikanistik der Universität Leipzig erschlossen worden. Dabei ist insbesondere Prof. Dr. Adam Jones zu danken. Die Fotomotive sind meist touristischer Art: Es finden sich Kokospalmen, Bananenstauden, eine Zebraherde und Landschaftsaufnahmen aus der fahrenden Ugandabahn heraus; es gibt aber auch Bilder, die tieferen Einblick in die kolonialen Verhältnisse und in die Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung geben.
Fotoplatten sind Informationsträger, die eine sehr behutsame Behandlung erfordern. Sie sollten stehend in mehrlaschigen Falthüllen aus PATgetestetem Spezialpapier aufbewahrt werden. Die Klimawerte sollten 18 – 20°C Temperatur und 40 – 55% Luftfeuchtigkeit betragen. Bei ungenügenden klimatischen Bedingungen löst sich die Gelatineschicht von der Glasplatte oder erleidet Schäden durch Schimmelbildung. Das Bildsilber reagiert chemisch mit vielen Substanzen (z.B. mit dem Salz des Handschweißes), wobei im Bild Flecken oder Verfärbungen entstehen. Um Schäden bei der Benutzung zu vermeiden, wurden die Fotoplatten des Bestandes Hermann Schubert daher verfilmt und sind als Filmkopien benutzbar.
Steffen Lehmann, Universität Leipzig
Dr. Jörg Ludwig, Staatsministerium des Innern"

[Quelle: Sächsisches Archivblatt, 2/2002, S. 13-15]

[URL: http://www.archiv.sachsen.de/download/archivblatt_2_2002.pdf Geht zu: http://www.archiv.sachsen.de/download/archivblatt_2_2002.pdf - Zuletzt besucht: 2008-06-15]